Ein Gastbeitrag von Sven Lindgreen
Nachdem das Bundesverfassungsgericht den Eilantrag zur Verhinderung der „einrichtungsbezogenen Impfpflicht“ abgelehnt hat, verstärkt sich das befremdliche Gefühl, dass der amtierende Präsident Harbarth zu wenig Abstand zur eigenen politisch aktiven Karriere in der CDU hat. Eine Entscheidung im Namen der Mitarbeiter im medizinischen und pflegerischen Bereich war es jedenfalls nicht.
Weit abseits der politischen Elfenbeintürme trifft man auf den Spaziergängen im ganzen Land aber eben auch viele verzweifelte, verunsicherte und auch verbitterte Pflegekräfte, die sich nach zum Teil jahrzehntelanger Tätigkeit in Praxen, Krankenhäusern und in der Pflege von Alten und Kranken mit dem Rücken zur Wand sehen.
Verhallt ist das Klatschkonzert von damals auf den Balkonen der Republik, um sich für den Dienst in der Pandemie zu bedanken. Finanzielle Corona-Beihilfe hat sich eher die Grünen-Spitze selbst gezahlt, als dass die Pflegekräfte mit besserer Bezahlung dauerhaft bedacht worden wären. Heutzutage gibt es eher die „Klatsche“, wenn vorauseilende oder überzeugte Arbeitgeber „auf Linie“ endlich die „Impfverweigerer“ aus dem Betrieb vertreiben wollen, um die „Pandemie der Ungeimpften“ zu beenden. Zur Erinnerung: Eine freiwillige Impfung kann man nicht verweigern.
Die andere Ausprägung der Arbeitgeber ist selbst unsicher, wie die ungeimpften Mitarbeiter dem Gesundheitsamt auszuliefern wären und der eigene Betrieb mit dann vielleicht ausgedünntem Personal kaum oder nicht mehr funktionieren würde.
Auf die Haltungsmedien darf man dabei nicht bauen, denn die medial gebetsmühlenartig verbreitete „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ wird den Leuten, Arbeitnehmern und Arbeitgebern, zwar eingeredet als Begriff, aber streng genommen existiert diese Impfpflicht nicht. Es ist eher eine Nachweispflicht, die eventuell zu Berufsverbot führen kann.
Wo sind die ganzen investigativen Journalisten und Faktenchecker, um das Thema mal sinnvoll aufzubereiten? Nicht für irgendwen, sondern für die Menschen, die nach Rundfunkstaatsvertrag neutral zu informieren und direkt betroffen sind und auch einer „einrichtungsbezogenen Beitragspflicht“ für die öffentlich-rechtlichen Medien nicht entfliehen können.
Statt ewigem Lamento über das mediale Versagen erfolgt hier die „Ersatzvornahme“:
Wenn man sich den § 20 a des IfSG (Infektionsschutzgesetzes), in dem es geregelt wird, genau anschaut, fällt eine Zweiteilung auf, denn Mitarbeiter, die ab 16.3.22 neu bei einem Arbeitgeber ihre Arbeit aufnehmen, werden stärker reglementiert als die, die schon vor dem 16.3.22 bei ihrem Arbeitgeber tätig sind.
Ganz wichtig: Wer erst ab 16.3.22 eine neue Stelle antritt, hat automatisch Beschäftigungsverbot, wenn er die entsprechenden Nachweise nicht vorlegt. Hinweis: Niemand sollte aktuell freiwillig kündigen.
Wer bis zum 15.3.22 beim aktuellen Arbeitgeber keinen Nachweis vorlegen kann, bekommt erst dann ein Beschäftigungsverbot, wenn es das Gesundheitsamt anordnet. Ob das zeitnah erfolgen kann, steht bei den überlasteten Gesundheitsämtern in den Sternen. Wir erinnern uns auch an die Rede des stellvertretenden Landrats in Bautzen, dass das Gesundheitsamt so etwas dort nicht umsetzen kann. Das Landratsamt und auch die Landesregierung in Sachsen kassierten diese Aussage zwar schnell, aber neben dem Hardliner Söder stimmt jetzt auch der sächsische Kretschmer Töne an, man wolle die Regelung ausgesetzt haben. Vermutlich die tausenden Mitarbeiter, die sich schon vorsorglich arbeitssuchend ab 16.3.22 gemeldet haben, dürften die beiden Ministerpräsidenten zu Corona-Wendehälsen gemacht haben. Das ist auch keine Einsicht der beiden, sondern das ist Angst vor dem dann wirklich drohenden Kollaps im Gesundheitswesen.
Bis zum 15.3.22 müssen Mitarbeiter ihrem Arbeitgeber einen von drei Nachweisen erbringen: einen gültigen Impfnachweis, den Nachweis einer Genesung (nach positivem PCR-Test) oder den Nachweis, dass eine Impfung nicht möglich ist! Genauso steht es im Gesetz.
Eine Krankenschwester oder ein Pfleger lassen sich vielleicht nicht schon wieder impfen, weil der Berufsalltag zeigt, dass es oft nicht wirkt. Viele haben Impfnebenwirkungen gehabt oder im Beruf bei Patienten gesehen und befürchten Schlimmeres durch den harmlos klingenden „Booster“. Die Inhaltsstoffe der Impflösungen können allergieauslösend sein. Beipackzettel und genaue Zusammensetzung sind wegen der „Notzulassung“ nicht vorgeschrieben, das Risiko liegt damit beim Geimpften. Andere zu schützen ist zwar wichtig, sich dafür aber selbst zu gefährden, darf man nicht verlangen.
Wer genesen ist, hat vermutlich aktuell den besten Schutz vor Neuansteckung und damit eventueller Weitergabe an die zu schützenden Menschen, Alten, Patienten. Denn das ist ja das primäre Ziel: Vermeiden von Infektionen von Patienten und Betreuten durch das Personal. Warum das RKI den „wertvolleren“ Genesenenstatus aber auf drei Monate abgewertet hatte und jetzt wieder einen Teilrückzieher machte, bleibt ein unlogisches Rätsel – wie so vieles in den letzten zwei Jahren.
Zusammenfassung für Arbeitnehmer:
Bis zum 15.3.22 dem Arbeitgeber einen der drei Nachweise vorlegen:
Impfnachweis oder Genesenennachweis oder vorübergehende (!) Impfunfähigkeit (Hausarzt, Allergologe, Nachweis-Express.de).
Kann man keinen Nachweis erbringen und will sich nicht (wieder) impfen lassen, sollte der Arbeitgeber das Gesundheitsamt darauf hinweisen, dass der Ungeimpfte unverzichtbar für den Betrieb ist und Sanktionen unterbleiben sollen. Wertschätzende Arbeitgeber machen das.
Sollten Arbeitgeber oder Gesundheitsamt die Impfunfähigkeit anzweifeln, bittet der Arbeitnehmer das Gesundheitsamt um Veranlassung der entsprechenden Untersuchung bei einem darauf spezialisierten Fachinstitut (ca. 12 in ganz Deutschland. Termine in 2023?).
Nicht selbst kündigen! Abwarten, ob das Gesundheitsamt ein Beschäftigungsverbot ausspricht. Soll der Arbeitsplatz doch gewechselt werden, dann unbedingt bis zum 15.3.22, danach gelten härtere Regeln.
Schon jetzt bei Befürchtung der Freistellung ab Mitte März unverzüglich arbeitssuchend melden. Jeder kann sich auch ohne erfolgte Kündigung beim Arbeitsamt melden und das irgendwann wieder zurücknehmen. Das hat keine Auswirkungen auf den eigentlichen Arbeitsvertrag. Nicht vom Arbeitsamt abwimmeln und zu einer späteren Meldung drängen lassen. Die hohen Zahlen sollen bitte sofort beim Arbeitsamt in der Statistik als Signal sichtbar werden.
Omikron mag sehr ansteckend sein, ist aber wohl eine der mildesten Corona-Mutationen inzwischen. Genau so entwickeln sich eben Viren erwartungsgemäß. Maßnahmen werden rund um Deutschland beendet, auch hier ist das längst fällig. Es gehört zur Wertschätzung der Berufe im Gesundheitswesen dazu, dass man gerade die, die seit Jahren trotz dauerndem Personalmangel großen Einsatz und Aufopferung gezeigt haben, nicht zusätzlich drangsaliert. Arbeitgeber sind auf zufriedene Arbeitnehmer angewiesen. Wenn Arbeitgeber sich vor ihre Mitarbeiter stellen und dem Gesundheitsamt begründen, warum durch Wegfall Ungeimpfter der Betrieb gefährdet ist, ist fraglich, ob die Gesundheitsämter – ideologisch verblendet oder politisch angewiesen – wirklich hart durchziehen.
Jedem Arbeitnehmer steht immer auch der Weg zu den Arbeitsgerichten offen. Den Weg sollte man eher gehen, als selbst zu kündigen. Selbst wenn das mehr Kraft kostet.
Arbeitnehmer, Arbeitgeber und positiv eingestellte Mitarbeiter in den Gesundheitsämtern müssen sehr gewissenhaft jeden Einzelfall überprüfen. Sowas kann auch mal länger dauern. Die Warteschlangen in den wenigen Fachinstituten, die eine Impfunfähigkeit gewissenhaft beurteilen können, wenn ein Gesundheitsamt diese Untersuchung für erforderlich hält, dürften schnell ellenlang werden. Das kann aber nicht das Problem der Arbeitnehmer sein. Bis dahin sollte man auch ein ausgesprochenes Berufsverbot nicht hinnehmen.
Die „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ ist als Tiger abgesprungen und wird als Kätzchen mit einer Impfunfähigkeit landen. Bleibt bis dahin alle standhaft. Eine Katze landet immer auf den Pfoten und hat sieben Leben.
Pflege-Impfpflicht: Auf Sachsen kommen tausende Einzelfall-Prüfungen zu | MDR.DE
§ 20 a IfSG – Einzelnorm (gesetze-im-internet.de). Als letzter Satz im Absatz 1 ist zu lesen „…gilt nicht für Personen, die auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden können.“
Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Blog von Vera Lengsfeld.
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Sven Lindgreen kandierte 2021 im Wahlkreis Oberhavel für die Partei „Die Basis“ für den Bundestag.
Text: Gast